Ziel dieses Artikels ist eine allgemeine Beurteilung des Risikos, in Deutschland von Notsituationen oder Katastrophen betroffen zu werden. Hierfür wurden statistische Daten verschiedener Quellen aus den Jahren 2000 bis 2011 ausgewertet. Die errechnete statistische Wahrscheinlichkeit wird natürlich stark von Faktoren wie individueller Risikobereitschaft (Geschlecht, Alter), der Ausübung gefahrenträchtiger Hobbys (Bergsteigen, Wintersport), der Tätigkeit in Risikoberufen (Dachdecker, Berufssoldat), dem Wohnort (Küsten- oder Berggebiete) und anderen beeinflusst. Diese finden hier jedoch keinen Einfluss. Im abschliessenden Teil werden allgemeine Empfehlungen zur Verhütung von Notsituationen formuliert.
 

Anteil der tödlichen Unfälle an den Gesamttodesfällen (1)

In Deutschland starben im Jahr 2010 ca. 858.800 Personen. 95,6 % von ihnen erlagen akuten und chronischen Krankheiten, allen voran Erkrankungen des Herz-Kreislauf Systems und bösartige Tumorerkrankungen (zusammen 67,3 %). Nur etwa 3,9 % der Toten, das entspricht ca. 33.300 Personen, sind einer nicht natürliche Todesursache zuzuordnen. Einige Todesfälle lassen sich nicht klassifizieren.
Mehr als die Hälfte (ca. 18.100 Tote) der 33.300 an einer nicht natürlichen Todesursache verstorbenen Personen können für unsere Belange vernachlässigt werden. Hierunter fallen bspw. Selbstmorde, unbeabsichtigte Vergiftungen, Komplikationen medizinischer Behandlungen und nicht weiter klassifizierte Unfälle. Aufschlussreich sind hingegen die Todesumstände der verbleibenden 15.200 Toten - das sind 1,77 % aller Todesfälle. Diese ermöglichen Rückschlüsse zur Häufigkeitsverteilung und Umstände „echter“ Unfälle.
 

Ursachen tödlicher Unfälle

Risikobewertung für tödliche Unfälle im Alltag

Risikobewertung für tödliche Unfälle im Alltag

Innerhalb der Gruppe der „echten“ Unfälle, verstarben etwa 9.500 Personen (62,5 %) an den Folgen eines Sturzes - hierunter fallen u.a. Sportunfälle, Stürze auf ebener Erde oder Abstürze aus der Höhe. Es folgten Verkehrsunfälle (inkl. Wasser- und Luftfahrt) mit ca. 3.900 Opfern (25,7 %). Durch tätliche Angriffe kamen ungefähr 500 Personen (3,3 %) ums Leben. Ertrinken und Brände forderten je 400 Leben (je 2,6 %). Durch physikalische Kräfte (herabfallende Gegenstände, durch technische Anlagen, Maschinen u.a.) wurden ca. 300 Personen (2 %) getötet. 200 Tote (1,3 %) stehen  im Zusammenhang mit Naturkräften.
 

Verhältnis von Unfalltoten und Unfallverletzten (2)

Zum weiteren Risikoverständnis ist es sinnvoll, auch die Anzahl der Unfallverletzten zu betrachten. Im März 2009 lag die Bevölkerungsanzahl Deutschlands geschätzt bei 82,2 Mio. Im Gesamtjahr wurden etwa 8,09 Mio. Personen bei einem Unfall verletzt (Bagatellunfälle ausgenommen) und fast 19.200 Menschen getötet. In Prozent ausgedrückt bedeutet das, dass die Wahrscheinlichkeit innerhalb dieses Jahres tödlich zu verunglücken, bei 0,02 % lag, die Wahrscheinlichkeit bei einem Unfall verletzt zu werden, jedoch bei 9,84 %. Einem Unfalltoten standen somit 420 Unfallverletzte gegenüber.

Statistik: Unfallrisiken nach Lebensbereichen

Statistik: Unfallrisiken nach Lebensbereichen

 


Katastrophen in Deutschland und seinen Nachbarstaaten (3)

In den Jahren 2000 bis 2011 wurden in Deutschland und seinen neun Nachbarstaaten 249 natürliche und technische Katastrophen verzeichnet. Als Katastrophen werden hierbei Notstände bezeichnet, die mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt: zehn oder mehr Tote, 100 oder mehr Betroffene (Verletzte, Evakuierte oder sonstig Hilfsbedürftige), Ausrufung des Notstands, Anforderung internationaler Unterstützung.

Insgesamt starben im Zeitraum etwa 39.300 Menschen. Als Betroffene (Verletzte, Evakuierte und sonstig Hilfsbedürftige) wurden insgesamt etwa 1,33 Mio. Personen erfasst. Zusammen wurden also 1,37 Mio. Personen direkt und unmittelbar geschädigt.

Statistische Relevanz von Katastrophen

Statistische Relevanz von Katastrophen

Um ein umfassenderes Verständnis über die Häufigkeit und Auswirkung von Katastrophen und Notsituationen zu erlangen, werden diese nachfolgend anhand der Gesamt-Geschädigten-Zahlen (Tote plus direkt Betroffene) hierarchisch aufgeführt:

  1. Fluten (796.500 Personen)
  2. Stürme (507.500 Personen)
  3. Hitzewellen (38.000 Personen)
  4. Industrieunfälle (20.500 Personen)
  5. Sonstige Katastrophen (4.400 Personen)
  6. Waldbrände (3.000 Personen)
  7. Erdrutsche (1.800 Personen)
  8. Transportunfälle (1.000 Personen)

Im arithmetischen Mittel starben also durch oben aufgeführte Katastrophen jährlich 3.275 Menschen, 144.200 Personen wurden direkt betroffen. Die Gesamtbevölkerungszahl Deutschlands und seiner Nachbarstaaten lag bei etwa 245,48 Mio. Einwohnern (Referenzwerte des Jahres 2010). Umgerechnet lag somit die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres durch eine Katastrophe zu Tode zu kommen bei 0,001 %, direkt durch sie betroffen zu werden bei 0,06 %. Einem Toten standen 44 Betroffene gegenüber.
 

Zusammenfassung und Bewertung

Insgesamt kann festgestellt werden, dass das Risiko innerhalb eines Jahres in einem Unfall persönlich zu Schaden zu kommen, bei etwa 10 % liegt. Dieser Wert sollte jedoch aus zwei Gründen nicht unmittelbar auf den Begriff Notsituationen übertragen werden:

  1. Zum einen beinhaltet der Begriff „Notsituation“ im Gegensatz zum Begriff „Unfall“ auch potenzielle Risikosituationen, er ist also deutlich weiter gefasst. Dieses erhöht den statistischen Prozentwert.
  2. Andererseits erfüllen nicht alle Unfälle (insb. leichte) die Kriterien einer Notsituation (potenzielle, schwerwiegende und nachhaltige Schädigung der körperlichen oder psychischen Gesundheit). Dieses erniedrigt den statistischen Prozentwert.

Die überwiegende Zahl der Notsituationen erfüllen nicht die oben genannten Kriterien einer Katastrophe (Verhältnis 56 : 1), sondern  ereignen sich im Alltagsverlauf und betreffen Einzelpersonen und Kleingruppen. Katastrophen, wenn auch ungleich Aufsehen erregender, sind nur für einen Bruchteil der Schadensfälle (wirtschaftliche Folgen nicht beinhaltet) verantwortlich.

Die mit grossem Abstand häufigsten Notsituationen - bezogen auf Anzahl der Todesfälle und übertragen auf die Anzahl der Verletzungsfälle - werden durch Stürze im privaten und beruflichen Umfeld (62,5 %), gefolgt von Verkehrsunfällen (25,7 %) hervorgerufen. Die schwerwiegendsten Katastrophen - bezogen auf die  Anzahl der Geschädigten - sind Fluten (58 %) und Stürme (37 %).
 

Ableitungen

Betrachtet man einzelne Ursachen und Lebensbereiche, in denen Notsituationen auftreten, lassen sich einige grundlegende Empfehlungen formulieren:

  1. Insbesondere in Risikoberufen sollten gängige Arbeitsschutzrichtlinien (z.B. zur Vermeidung von Stürzen) konsequent umgesetzt werden.
  2. Ebenso existieren für viele Risikosportarten (z.B. Felsklettern, Skifahren, Kampfsport) Empfehlungen und Sicherheitsstandards, die nicht unterschritten werden sollten.  Hierzu zählen bspw. das Tragen von Helmen oder Schutzausrüstung und die strikte Einhaltung von Redundanzprinzipien. Ausbildungen oder professionelle Schulungen von Verbänden oder Privatanbietern vermitteln sicherheitsrelevante Grundlagen.
  3. Im Bereich Verkehr bieten verschiedene Anbieter (z.B. ADAC) Fahrsicherheitstrainings zu Verbesserung der Reaktionsfähigkeit unter Stressbedingungen an. Diese führen nachweislich zum verbesserten „Handling“ des eigenen Fahrzeugs und somit zur Unfallminimierung.
  4. Der überwiegende Anteil der oben aufgeführten Notsituationen entsteht durch Unfälle und geht mit Verletzungen einer oder mehrerer Personen einher. Grund- und regelmässige Auffrischungskurse in Erster Hilfe vermitteln nicht nur die wichtige „gefühlte“ Sicherheit sondern vermindern objektiv das Schadenspotenzial.
  5. Nicht zuletzt gilt das Gesetz des gesunden Menschenverstands. Unfälle lassen sich durch vorausschauende Verhaltensweisen (z.B. defensives Fahren) verhindern oder zumindest in ihrer Wirkung abschwächen. Zusammen mit Eigenverantwortung ist er wohl der Schlüssel zur Vermeidung von Notsituationen.
     

Quellen

(1) Todesursachen in Deutschland 2010 - Statistisches Bundesamt, Fachserie 12 Reihe 4
(2) Unfalltote und Unfallverletzte in Deutschland 2009 - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(3) EM-DAT: The OFDA/CRED International Disaster Database, Université Catholique de Louvain - Brussels - Belgium