Outdoor und Survival Handbuch
... Outdoor Messer - ein Interview
1. Welche Eigenschaften sollte ein gutes Überlebensmesser haben?
Grundsätzlich ist eine Unterscheidung von Überlebensmessern und anderen Messern im Survival Fall hinfällig. In einer Survival Situation ist jedes Messer recht und in jedem Fall besser als gar keins. Dennoch liegen natürlich Welten zwischen verschiedenen Messertypen. Einige Eigenschaften die ein passendes Überlebensmesser für mich haben sollte, sind folgende: angemessene Grösse und Gewicht, eine robuste und langlebige Klinge und gute Griffigkeit, die sich besonders bei langwierigen Arbeiten bemerkbar macht.
2. Welche Aufgaben muss ein Überlebensmesser erfüllen? Wann & wo wird es eingesetzt?
Ein Messer ist für mich eines der wichtigsten Outdoor Tools. Hier eine (unvollständige) Aufzählung von Aufgaben, bei denen ich ein Messer einsetze: Konstruktion von Notunterkünften, Fällen von kleineren Bäumen, Bau von Feuerbohrsets, Herstellung diverser Gebrauchsgegenstände, Fallenbau, Ausnehmen von Tieren, Nahrungszubereitung etc. Wann immer möglich, versuche ich das Messer zu entlasten, d.h. ich suche Alternativen, um es zu schonen, z.B. schnitze ich mir kleine Holzkeile, um grössere Hölzer zu spalten.
3. Wie ist ein Überlebensmesser grundlegend aufgebaut? Welche Vor-/Nachteile ergeben sich aus diesem Aufbau? Welche Aufbauform sind nach Ihrer Meinung eher als Überlebensmesser geeignet?
Ich bevorzuge feststehende Messer gegenüber Klappmessern, da sie deutlich robuster sind und meist besser in der Hand liegen. Ihnen fehlt die „Sollbruchstelle“ der Klappmesser. Dementsprechend ist der Aufbau vorgegeben: Klinge - Handschutz - Messergriff. Um auf den hinteren Messergriff einen Schlag ausüben zu können, ist der Abschluss in Form eines Knaufs sinnvoll. Allerdings hat ein Klappmesser den entscheidenden Vorteil, dass ich es auch in der Stadt immer am Mann tragen kann. In jedem Falle sollte die Klinge dann aber arretierbar sein!
4. Wie wichtig sind Zusatztools in Verbindung mit einem Überlebensmesser? Welche Tools sind nützlich und was braucht man wirklich?
Jedes Tool, welches die Funktionalität eines Messers einschränkt (z.B. Kompass im Knauf, der dann verhindert, dass man auf den Knauf schlagen kann) oder das Material schwächt ist fehl am Platz. Ein Messer ist für mich in erster Linie ein Messer. Kompass, Feuerstarter oder andere Kleintools gehören daher für mich nicht in den Messergriff, sondern entweder an die Messerscheide, einen Survival Kit oder einfach die Jackentasche.
5. Welche Klingenform hat ein typisches Überlebensmesser? Und warum ist (sind) diese Form(en) gerade für Überlebensmesser besonders geeignet?
Ich favorisiere Messer mit Drop Point Klinge. Diese Klingenform macht das Messer sehr robust und ermöglicht den Einsatz auch der Messerspitze bei gröberen Arbeiten. Ideal ist die Form für das Ausnehmen von Tieren. Von einem partiellen Wellenschliff rate ich aufgrund der schlechten Schnittführung und Unschärfbarkeit prinzipiell ab, ebenso vom „Sägerücken“, auf den man nicht schlagen kann (Beilersatz).
6. Welche Schliff-Variante haben Überlebensmesser üblicherweise? Welcher ist am besten geeignet und warum?
Üblich sind flache oder konvexe Schliffe. Ich bevorzuge den konvexen Schliff, da er haltbarer und besonders für gröbere Arbeiten geeignet ist. Ein Nachteil ist die Schwierigkeit, das Messer unter Survival Bedingungen (d.h. ohne Schleifpapier oder -stein) zu schärfen. Hier ist der flache Schliff von Vorteil.
7. Welches Klingenmaterial ist für ein Überlebensmesser besonders gut geeignet und warum?
Die Klinge eines Überlebensmessers sollte nicht zu hart sein, um ein Nachschärfen mit einfachen Mitteln zu ermöglichen und um ein Ausbrechen der Klinge bei Querbelastung zu vermeiden. Eine Flexibilität der Klinge ist jedoch eher unerwünscht, da sie ja bei vielen groben Arbeiten zum Einsatz kommt. Der Stahl sollte insgesamt eine hohe Qualität besitzen und rostfrei sein.
8. Wie lang sollte in etwa die Klinge eines Überlebensmessers sein? Und warum? Gibt es hier eventuell Probleme bei Flugreisen?
Ein Messer mit einer Klingenlänge von 10 bis 12 cm ist vollkommen ausreichend. Klingen von mehr als 12 cm sind erstens unpraktisch, da schwieriger im Handling und zweitens (wie auch Einhandmesser) vom Gesetzgeber in aller Regel verboten. Es existieren jedoch Ausnahmeregelungen, wenn das Führen des Messers im Zusammenhang mit Berufsausübung, Brauchtumspflege, Sport oder anderen allgemein anerkannten Zwecken (z.B. Jagd, Fischerei, Camping oder Waldarbeit) steht. Vor jedem Flug sollte abgeklärt werden, wie die Bestimmungen im Reiseland sind und natürlich gehören Messer nicht ins Handgepäck.
9. Welche Griffmaterialien kommen meist bei Überlebensmessern zum Einsatz? Können Sie uns hier einen kleinen Überblick verschaffen? Können Sie kurz auf die Vor-/ Nachteile der jeweiligen Materialien eingehen?
Die Wahl des Griffmaterials ist Geschmackssache. Ich persönlich bevorzuge Messer mit rutschfesten Kunststoffgriffen. Sinnvoll ist es, wenn das Messer Griffbereich ein Loch oder eine Öse besitzt, an der eine Fangleine befestigt werden kann. Häufig eingesetzt werden auch selbstgebundene Griffe aus Repschnur oder Paracord. Für den Fall der Fälle stehen so einige Meter Schnur zur Verfügung.
10. Welche Art der Scheide ist bei einem Überlebensmesser aus Ihrer Sicht zu empfehlen? Leder, spezielle Kunststoffe etc.? Reicht eine Scheide aus die "nur gesteckt" ist oder ist eine Scheide mit Verriegelung zwingend notwendig? Sind Scheiden für Überlebensmesser überhaupt notwendig?
Scheiden sind aus mehreren Gründen erforderlich. Zum einen schützen sie den Messerbesitzer bspw. bei einem Sturz vor Verletzungen, zum anderen verlängern sie die Lebenszeit der Schärfe des Messers erheblich. Ich habe sowohl mit Kunststoffscheiden, als auch Lederscheiden gute Erfahrungen gemacht. Lederscheiden benötigen hin und wieder etwas Pflege, sind dann aber genau so langlebig wie Kunststoffscheiden. Manche Scheiden beherbergen Zusatztools, z.B. Feuerstarter oder Schleifstein. Das kann je nach Anordnung und Hersteller sehr sinnvoll gelöst sein oder die Scheide überdimensional vergrößern und beschweren. Eine Verriegelung ist generell sinnvoll.
11. Wie sähe das ultimative Überlebensmesser aus? In maximal 6 Stichworten.
- robust, langlebig, stabil
- feststehende Klinge von etwa 10 cm
- Drop Point Klinge oder Normalklinge
- konvexer oder flacher Schliff
- rostfreier, nicht zu harter Stahl
- ergonomischer Griff und gutes Handling
12. Wie sollte ein Überlebensmesser gepflegt werden? Oder sollte man das Messer überhaupt pflegen?
Ein Survival Messer kann wie jedes andere Messer gepflegt werden, d.h. Reinigung nach Benutzung und bei Bedarf das Metall ölen. Ebenfalls geölt oder mit Wachs behandelt werden Holzgriffe oder Lederscheiden.
13. Wie schärft man ein Überlebensmesser, wenn man unterwegs ist? Welche Methoden gibt es? Wie geht man vor? Können Sie uns hier einen kleinen Einblick geben?
Bestenfalls hat man im Survival Kit einen kleinen Schleifstein. Wenn man auf Materialien aus der Natur zurückgreifen muss, ist eine einfache - aber leider nicht immer erfolgversprechende - Methode, nach einem passenden Stein zu suchen und unter Zugabe von Wasser mit kreisförmiger Bewegung zu schleifen. Einigermaßen geeignet sind z.B. Kiesel (Quarz) oder Marmor. Mitunter findet man auch in der Natur Keramikgegenstände (z.B. Geschirr, Fliesen oder Kacheln), mit deren unglasierten Oberflächen brauchbare Resultate erzielt werden können. Neben dem benutzten Material ist das konsequente Einhalten des richtigen Winkels (etwa 25° bis 35°) entscheidend.
14. Was sind im Allgemeinen typische Schwachstellen eines Überlebensmessers? Worauf sollte man beim Kauf eines Überlebensmessers Ihrer Meinung nach achten?
Ein Problem mit einem Überlebensmesser ist, dass es vielen Ansprüchen genügen muss. In einer Survival Situation wird man es für sowohl feine, als auch grobe Arbeiten benutzen. Die Spannweite der Erwartungen liegt also zwischen Filetiermesser und Machete. Man sollte sich bewusst sein, dass ein Allroundmesser immer irgendwo in der Mitte angesiedelt ist und nicht alle Aufgaben 100%ig erfüllen kann. Auf einer geplanten Outdoor Tour kann man dem begegnen, indem man zwei Messer mit sich führt: ein scharfes, feines Messer für feine Aufgaben und ein zweites robustes fürs Grobe. Im Ernstfall wird man jedoch froh sein, überhaupt ein Messer am Mann zu haben.
15. Wie viel sollte man in etwa für ein Überlebensmesser ausgeben? Können Sie uns einen groben Überblick verschaffen, welche Preiskategorien es gibt?
Für ein brauchbares Survival Messer würde ich etwa 30 Euro aufwärts ansetzen. Billigere Messer sind meiner Erfahrung nach häufig schnell verschlissen, lassen in der Verarbeitung zu wünschen übrig und sind sehr kraftzehrend bis schmerzhaft bei längeren Arbeiten. Man kann natürlich auch deutlich mehr Geld für ein Messer ausgeben.
16. Welches ist Ihr Lieblings-Überlebensmesser? Und warum? Welches können Sie einem Survival-Einsteiger empfehlen?
Ich benutze seit vielen Jahren ein Böker Arbolito Semi Skinner. Die Drop Point Recurve Klinge aus 440C Stahl hat eine Länge von 12 cm und ist 4 mm dick, also optimal für Survival Aktivitäten. Das Messer hat einen rutschfesten Kraton Kunststoffgriff, der auch nass sehr gut in der Hand liegt. Für das Messer habe ich mich damals aus mehreren Gründen entschieden: sehr gutes Preis Leistungsverhältnis (62 Euro), robustes Aussehen und Griffigkeit und eine hochqualitative Lederscheide. Einziges Manko ist die Recurve Klinge, die für den Anfänger nicht leicht zu schärfen ist. Ein weiteres Messer welches ich Survival Einsteigern empfehlen würde, ist das Mora Bushcraft Survival Messer. Es kommt mit einer starren Kunststoffscheide, in die ein Feuerstarter und ein Diamant Schleifstein eingepasst sind.